#159 Vorsicht: Nepper, Schlepper und Bauernfänger!

Worum geht es in diesem Artikel?

Der Beitrag zeit das Angebote wie „funktioniert garantiert“ in komplexen Umgebungen nicht mehr sind als Nepper, Schlepper und Bauernfängerei. Ich gehe in Beispielen auf Best Practices und Natural Decision Making ein.

Vor etwa zehn Jahren war ich unter netten Bankmanagern. Einer von ihnen, dessen Bank in einer der villenreichsten Gegenden Deutschlands lag, prahlte stolz: „Letzte Woche habe ich einen Kredit für eine Villa über 10 Millionen vergeben.“ Ich fragte: „Wie oft passiert das?“ Er antwortete: „Etwa zwei- bis dreimal im Monat mache ich das selber.“ Neugierig wollte ich wissen: „Wie schaffst du das? Was ist dein Erfolgsgeheimnis?“

Er erklärte, es sei ganz einfach, und zählte einige Best Practices auf. Jeder könne so erfolgreich sein, wenn er seiner Liste folge.

Ein anderer Bankmanager aus einer anderen Region hörte interessiert zu, meinte dann aber, er könne mit der Liste nichts anfangen. Ein kleiner Streit über die Wirksamkeit der Liste entbrannte. Der Villen-Bankmanager bestand darauf, dass seine Best Practices garantiert funktionierten.

Schließlich sagte der andere Bankmanager, in seinem Einzugsgebiet gebe es keine Villen. Betretenes Schweigen folgte, bis der Villen-Bankmanager zugab, dass die Liste kontextabhängig sei und er dies in seiner Euphorie übersehen habe. Der Bankmanager war ein ehrlicher Kerl und hatte auch sehr schnell verstanden das sein Vortrag Humbug war.

Best Practices oder Bauernfänger?

Best Practices funktionieren nur in einer hoch standardisierten Umgebung. Zufälle dürfen dabei keine Rolle spielen, alle Parameter müssen bekannt und wiederholbar sein. Dennoch treten immer wieder Fehler auf. Es gibt zahlreiche Bücher über Six Sigma, die sich mit der Minimierung von Fehlern beschäftigen.

Ein häufiger Fehler besteht darin, Methoden und Ansätze auf andere Kontexte zu übertragen. Zu Beginn des neuen Jahrtausends versuchten Manager, Six Sigma auf alle Bereiche anzuwenden. Dies führte zu einem starken Rückgang der Innovationsleistung. Um solche Umgebungen zu bauen braucht man viel Energie für die stabilen Zustände. Rob England hat das in dem Beitrag mit dem Cynefin Modell sehr gut erklärt.

Energielevel für Best Practices

Das Gleiche gilt für alle Methoden, die in einem Kontext funktionieren, aber nicht in einem anderen, beispielsweise Agilität. Es ist menschlich, Abkürzungen nehmen zu wollen und eine Methode oder einen Ansatz zu glorifizieren. Leider funktioniert das nicht.

Menschen sind komplex!

Anbieter, die in einem komplexen Umfeld (Menschen sind immer komplex) eine Methode oder einen Ansatz marktschreierisch als „die Lösung“ ankündigen, sind nicht seriös. Das gleiche Prinzip gilt für Unternehmensberatungen, die agile Konzepte nach der Methode Spotify verkaufen wollen und bei einem Projektabbruch behaupten, die Mitarbeiter hätten Widerstände gezeigt oder seien noch nicht bereit gewesen.

Scheitern ist schon vorprogrammiert!

Was sind die Gründe?

Warum wollen Menschen Abkürzungen und schnelle Methoden?

Gary Klein und Natural Decision Making

Menschen neigen dazu, Abkürzungen zu nehmen und schnelle Lösungen zu bevorzugen, anstatt tiefere Analysen durchzuführen, aus mehreren Gründen. Gary Klein beschreibt in Natural Decision Making folgende Ursachen:

  1. Zeitdruck und Ressourcenbeschränkungen: In vielen Situationen, insbesondere unter Zeitdruck, ist es nicht praktikabel, eine umfassende Analyse durchzuführen. Studien haben gezeigt, dass in zeitkritischen Umgebungen, wie z.B. bei Feuerwehrleuten oder Piloten, schnelle und „ausreichende“ Lösungen bevorzugt werden, um die Situation effizient zu bewältigen. Diese Strategie wird als „satisficing“ bezeichnet, bei der eine zufriedenstellende Lösung gefunden wird, die den minimalen Anforderungen entspricht, anstatt die optimale Lösung zu suchen.
  2. Erfahrung und Expertise: Erfahrene Entscheidungsträger nutzen oft ihre umfangreiche Erfahrung und ihr Wissen, um Muster zu erkennen und schnelle Entscheidungen zu treffen, ohne alle möglichen Alternativen zu vergleichen. Dies wird durch das Recognition-Primed Decision (RPD) Modell beschrieben, bei dem erfahrene Personen weniger Alternativen generieren und diese sequentiell bewerten, bis eine zufriedenstellende Lösung gefunden ist. Diese Methode ermöglicht es ihnen, auch unter extremem Zeitdruck qualitativ hochwertige Entscheidungen zu treffen.
  3. Kognitive Entlastung: Automatisierte Prozesse und Mustererkennung entlasten das Arbeitsgedächtnis und ermöglichen es, Entscheidungen schnell und mit minimalem kognitiven Aufwand zu treffen. Dies ist besonders nützlich in komplexen und dynamischen Umgebungen, wo schnelle Reaktionen erforderlich sind.
  4. Effizienz in der Ressourcennutzung: In vielen Fällen ist es nicht kosteneffektiv, die Ressourcen für eine tiefere Analyse aufzuwenden, insbesondere wenn die zusätzlichen Gewinne durch eine optimale Lösung gering sind. Daher wird oft eine pragmatische Herangehensweise gewählt, die eine ausreichende Lösung mit minimalem Aufwand ermöglicht .

Zusammengefasst bevorzugen Menschen oft schnelle Lösungen und Abkürzungen, weil sie unter Zeitdruck stehen, auf ihre Erfahrung und Expertise zurückgreifen, kognitive Ressourcen schonen und effizient mit ihren Ressourcen umgehen wollen.

Hier in dem Kontext, schnelle Entscheidungen macht das auch oft Sinn. Was ist aber mit Situationen „was garantiert funktioniert im Sales“? Ist da auch Zeitdruck vorhanden? Ist da die kognitive Entlastung das entscheidende Motiv?

Da wir in einem KI-Blog sind, die Bücher habe ich in einem Pinecone Assistent hochgeladen und dort kann man die qualitativ gut befragen.

Den KI Assistenten von pinecone nutzen.

ESSENCE OF DECISION

Allison und Zelikow haben ein spannendes Buch über die Cuba Krise geschrieben und die Entscheidungen aus verschiedenen Blickwinkel analysiert. Was sind die Kerngedanken in dem Buch:

Menschen bevorzugen oft Rezepte und Anleitungen, weil diese ihnen ermöglichen, komplexe Aufgaben zu bewältigen, ohne dass sie jedes Mal von Grund auf neu denken müssen. Dies hat mehrere Gründe:

  1. Standard Operating Procedures (SOPs): Organisationen und Individuen nutzen SOPs, um konsistente und koordinierte Handlungen zu gewährleisten. Diese Verfahren sind tief in den Anreizstrukturen und Normen der Organisationen verankert und daher widerstandsfähig gegenüber Veränderungen. SOPs ermöglichen es, dass viele Menschen zusammenarbeiten können, ohne dass jeder Einzelne viel nachdenken muss, was die Effizienz erhöht.
  2. Uncertainty Avoidance: Menschen und Organisationen neigen dazu, Unsicherheit zu vermeiden. Anstatt die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse abzuschätzen, versuchen sie, ihre Umgebung zu stabilisieren und vorhersehbar zu machen. Dies wird oft durch etablierte Routinen und Absprachen erreicht, die die Reaktionen anderer Akteure regulieren.
  3. Effizienz und Spezialisierung: Durch die Arbeitsteilung und Spezialisierung können Organisationen und Individuen Aufgaben effizienter erledigen. Dies wurde bereits von Adam Smith in seiner Analyse einer Stecknadelfabrik beschrieben, wo die Spezialisierung der Arbeiter zu einer enormen Steigerung der Produktivität führte.
  4. Begrenzte kognitive Ressourcen: Menschen haben begrenzte kognitive Ressourcen und können nicht alle möglichen Alternativen und Konsequenzen in jeder Situation berücksichtigen. Daher greifen sie auf Heuristiken und vereinfachte Modelle zurück, um Entscheidungen zu treffen. Diese Vereinfachungen sind notwendig, um in Echtzeit Entscheidungen treffen zu können.
  5. Routinen und Programme: Organisationen entwickeln Routinen und Programme, die es ihnen ermöglichen, wiederkehrende Aufgaben effizient zu bewältigen. Diese Programme sind selten auf spezifische Situationen zugeschnitten, sondern basieren auf standardisierten Abläufen, die in der Vergangenheit erfolgreich waren.

Zusammengefasst bevorzugen Menschen Rezepte und Anleitungen, weil diese ihnen helfen, Unsicherheit zu vermeiden, kognitive Ressourcen zu schonen und Aufgaben effizienter zu bewältigen. Diese Vorgehensweisen sind tief in den Strukturen und Normen von Organisationen und der menschlichen Natur verankert.

Generelle Zusammenfassung

Wenn man keinen Zeitdruck hat, reduzieren vermeintliche Best Practices, „Methoden die immer funktionieren“ den Stresslevel selber zu denken und die Unsicherheit.

Das nutzen Nepper, Schlepper und Bauernfänger aus. Wenn das unmögliche nicht gelingt, dann sind natürlich die Kunden schuld! Die waren noch noch nicht soweit ist ein Spruch von agilen Beratern.

Meine Empfehlung: nehmen Sie solche Anbieter nicht Ernst.

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